fbpx
Bütschwil, Frisch gemäht. 20°. Die Frisur hält.

Die eigenen Grenzen neu setzen

Um 08.45 am 8. Juni startet Ernst Willi mit Roland Hürlimann das Briefing. Zwei mögliche Aufgaben gäbe es: Eine nördliche und eine östliche, bevor die feuchte Luftmasse ankommen wird. Das GliderCup Team entscheidet sich für die nördliche Aufgabe. Sie ist total einfach: Klippeneck retour: Knapp 130 Kilometer hin und zurück. Tönt einfach.

Flachland-Fliegen kenne ich nur von einem einzigen Flug und da hat mich beeindruckt wieviel näher der Boden bleibt, ohne die Option an einen anderen Hang wechseln oder ins Tal wegfliegen zu können.

Mit etwas Mut und dem erfolgreichen Streckenflugkurs im Rücken ergattere ich mir einen Einsitzer. Walti Hüppin’s wacher Geist erkennt mein Zögern und er bietet mir an, dass wir bambinimässig zu zweit fliegen könnten. Nur zu gerne nehme ich sein Angebot an.

Wir starten also gegen Mittag und treffen uns beim Regelstein. Dummerweise habe ich den Start in Reiden verpasst, also muss Walti noch ein paar Minuten warten, bis ich durch den Zylinder und wieder auf gleicher Höhe bei ihm unter einem schönen Sauger am Regelstein auf 2350 AMSL bin.

Locker fliegen wir durchs Toggenburg hinunter und brettern unter der TMA Zürich durch. Soweit geht alles gut.

Nur dann:

 

Total blau..

Kein einziges Wölklein am Himmel: Blauthermik. Der Himmel ist blau. Und es gibt tatsächlich nichts woran sich Thermik erkennen lassen würde. Im Gebirge ist dies easy: Angestrahlte Hänge, der Grat darüber, Gipfel mit südlich ausgerichteter Flanke. Da weisst Du genau wohin und „zack! gaht öppis“.

Wir schlucken wohl beide etwas leer in diesem Moment. Denn das heisst: Mehr auf den Boden schauen, Städte, Hägel, Wälder vielleicht eine Kiesgrube sehen, drüberfliegen und hoffen dass „öppis gaht“.

Was mich beunruhigt: Es geht immer nur bergab. Ich beruhige mich mit dem Relief und der Bodensee ist extrem weit unten. Schliesslich sind wir über Radolfzell auf 969 AMSL. Nun zeigt sich Walti’s Können und ich bin einfach nur froh, dass er diesen Schlauch aus dem Sack zieht und hänge mich an seinen Rockzipfel. Problemlos kommen wir nach 135 Minuten an der Klippeneck an. Dort machen wir Höhe und sind schliesslich auf 2450 AMSL.

Doch nun müssen wir zurück und das sieht so aus:

 

Das blaue Nichts.

„Wir schaffen das!“ meine ich zu Walt über 122.480 MHz, wohl um mir selber Mut zu machen und in der Hoffnung, dass es wirklich so wäre. Wir geben alles! Wieder über Radolfzell finde ich das untere Ende vom Schlauch nicht den Walti gefunden hat und mit 1287 AMSL ist meine Freude an den sich nähernden Details des Terrains gestillt und fliege weiter zum Seerücken. Dort finde ich selber was und komme wieder auf 1900 AMSL. Walti ist in der Nähe, ich sehe ihn nicht, wir hören uns am Funk aber wir sind beide voll busy mit Fliegen. Danach belohnen mich Illhart 1855 AMSL und Bänikon mit 1672 AMSL.

Dann aber ist aus, Ende, Finito. Keine vertikales Lüftchen mehr. Das kann nicht sein. Mein letztes Feld war bei Wil an der Autobahn. Mein nächstes ist Bütschwil. Ich kenne das Feld aus dem Streckenflugkurs und fliege am westlichen Hang entlang mit der Wunschvorstellung eines abendlichen Thermikpakets abgelöst vom Westwind. Nichts. Es kommt also meine allererste Aussenladung. Walti sage ich, dass ich nach Bütschwil gehe. Er komme mich holen und ich soll ihm funken wenn ich gelandet bin, meint er.

Also fliege ich in den Abkreisraum und sehe dass das grössere der beiden Felder bewachsen ist, also Fehlanzeige. Das kleinere Feld hat Bäume am Ende, aber in einem schmalen Abschnitt der frisch gemäht ist. Die frisch gemähte Wiese sieht super aus: So muss eine Aussenlandefeld aussehen! Einfach etwas kurz, und etwas schmal. Egal. Ich gehe in den Downwind, Base, Final und setze gleich nach dem Weg auf. Die Wiese bremst sehr gut und der Discus 2 steht nach zwei Dritteln des Feldes.

 

Bütschwil, Frisch gemäht. 20°. Die Frisur hält.

Walti funke ich, dass alles gut gegangen ist und wo der Schlüssel zu meinem Auto wäre. Pascal der Flugdienstleiter weiss auch Bescheid und also bleibt Zeit für ein Selfie.

ABER NICHT LANGE:

5Sierra hat das selbe Schicksal erlitten und ist am Abkreisen über Bütschwil. Der Discus 2 wird mit am Strassenrand parkiert und schon geht 5Sierra in den Downwind. Ernst Müller landet auf dem gleichen Feld und mit einem schönen Flare. Allerdings sind seine Flügel länger als meine und der Metallpfosten-Zaun längs der Feldes, den wir beide aus der Höhe nicht gesehen haben malträtiert seinen Flügel.

Wir parkieren auch die ASG-29 am Strassenrand und organisieren Thomas Stemmler um die 5Sierra zurückzuholen. Wir machen etwas Promo für’s Segelfliegen und begeistern zwei Jungs und ein Kleinkind, die vorbeikommen. Der Bauer kommt ebenfalls mit dem Velo, steigt aber gar nicht ab und meint nur trocken „So, händ ihr de Hag wieder ufgstellt?“. Fleissig bejahen wir seine Frage. Er geht wieder.

Nach einer Stunde sind Thomas Stemmler und Walt Hüppin mit den Anhängern da. Wir demontieren und fahren zurück.

Mein Fazit: Ich konnte mit einem einzigen Flug fünf Grenzen neu setzen:

  1. Auch im Flachland kann ich fliegen
  2. Blauthermik ist absolut fliegbar
  3. Alleine fliegen geht auch
  4. Auch weit weg vom Platz in neuem Territorium finde ich Thermik
  5. Ich kann aussenlanden

Dies ist nur möglich in einem Setting, bei welchem du die Präsenz eines Fluglehrers oder erfahrenen Kollegen auch nur vermeintlich spürst. Dazu eignen sich der GliderCup, aber auch der Streckenflugkurs sehr gut.

Simon Stauber

Diesen Beitrag teilen

Mitfliegen

Erlebe die Faszination Fliegen am eigenen Leib. Ob mit Segelflugzeug, Motorsegler oder Motorflugzeug, am Flugplatz Schänis kannst du alle diese Flugsportarten selber ausprobieren.

Flugschule

Der Flugplatz Schänis ist DAS Schweizer Kompetenz-Zentrum für eine umfassende Segelflug-Ausbildung von der ersten Theoriestunde bis zum Spitzenresultat an nationalen und internationalen Meisterschaften.

PILOTEN

Weiterbildungsangebote und Informationen für alle Pilot_innen. Egal, ob Du sonst bei uns oder auf einem andern Platz fliegst.

Nach oben scrollen