fbpx
IMG_1174

Warum du nach Vinon mit Rennkamel in die Rehab musst.

Bericht von Simon Stauber

Januar in der Schweiz

Ein sehr kalter Abend zwischen Weihnachten und Neujahr. Der Trigger war simpel: Ernst Willi sagt er wäre im August in Vinon. Mit dem Arcus M HB-2480. Beides kenne ich nicht: Den Arcus M und Südfrankreich. Ernst natürlich schon. Darum war es ein einfacher Entscheid: Südfrankreich und den Arcus M mit Ernst kennenlernen. Eine Kombination, der ich nicht widerstehen konnte. 

Fast Forward. Die E1075.

Nach Grenoble ist die schöne breite Autobahn zu Ende. Es folgt die E1075. Eine immer grandioser werdende Landschaft öffnet sich und macht die 70 Kilometer Landstrasse über kleine und höhere Pässe zum ersten Ferienerlebnis. Um die Fahrt auch aktiv zu nutzen – voll der Streber – lerne ich die Checklisten für „Propeller Ausfahren“ und Einfahren auswendig und visualisiere die vielen neuen Elemente. Das ist zwar nicht nötig, weil die Checkliste ja immer dabei sein wird. Aber es wird mir helfen, die Übersicht zu behalten.  

Die Basis ist schon in der Nähe von Gap ungewohnt  hoch. 

Ökologisch Campen

Ich brauche Wasser. Und etwas zu Essen. So ein fetter Carrefour wäre jetzt nicht schlecht. Auf den letzten Kilometern vor Vinon folgt bei Valensole am Kreisel „Couleurs Paysannes“. Sieht nach einer Shoppingmall aus. Aber es ist das pure Gegenteil: Ein gigantischer Hofladen der Produzent:innen aus der Gegend. Mit lokalen Produkten, super schön präsentiert. Aprikosen, Pfirsiche, Brot, Most und alles aus der Gegend landen im mitgebrachten Ökofundisäcklein. Es ist schon nach 18.00 Uhr als ich in Vinon Aerodrome ankommen. John weist den Weg zum Camping für die „Non-Regulars“. Das sind die Besucher, die nur eine kurze Weile hier sind. Ganz im Gegensatz zu den Regulars, die seit Dezennien in Vinon zu Hause sind. 

In der Hitze von 37° wird das Zeltaufbauen zum Challenge: Der Boden ist knochentrocken und die Häringe verbiegen sich bevor sie einen knappen Zentimeter ins Erdreich dringen.  

Ökofundisäcklein und V8 Motor sind Asymmetrien, die es auszuhalten gilt. 

Eine unverhoffte Einladung

Die Nacht kann kommen. Ich rufe Ernst an, um mich anzumelden. Es ist 1. August. Das hatte ich schon fast vergessen in der Fremde. Er schafft es mich auf die Gästeliste der Schweizer Kolonie in Vinon zu setzen. Heidi und Rolf haben ihre Terrasse liebevoll mit den Erstaugustklassikern dekoriert: Fähnchen, Kerzenbecher mit Schweizer Kreuz und natürlich selbstgebackene 1. August Weggen mit dem Schweizerfähnchen drauf. Heidi und Rolf sind wunderbare Gastgeber! 

Familiarisation

Um den Arcus M fliegen zu können ist das Flughandbuch dein bester Freund. Um die neuen Elemente in den Griff zu bekommen, setze ich mich am frühen, kühlen Morgen ins Cockpit und mache mich mit allen Sicherungen, Kippschaltern und Anzeigen bekannt. 

Es gibt viel zu entdecken. Ungewohnt, die grosse blaue Fläche auf dem LX9000: Die Côte d’Azur liegt mir zu Füssen. 

Le Briefing

Le Briefing um 10.00 Uhr ist ein fester Bestandteil in Vinon. Es ist sehr fundiert, sehr gut präsentiert. Neue Gefahren auch hier: Eine Slackline im Norden des Ecrins Nationalparks ist frisch aufgespannt und quert das gesamte Tal. Sie ist nicht im Flarm markiert. Waldbrände entzünden sich täglich und die Pilot:innen werden gebeten diese über die Notfallfrequenz oder 191 zu melden. 

Das Emagramm zeigt keine Inversionen. Und wenn, dann bläst die südfranzösische Thermik sie einfach weg.

Von rechts: Ernst Willi, Rita und Gastgeber Rolf im blauen Hemd

Das Rennkamel zeigt was es kann.

Wir planen einen Flug um „etwas die Gegend kennenzulernen“ wie Ernst meint. Start auf der Piste 16 verläuft gut. Thermik ist schon nach 5 oder 6 Minuten Motorlaufzeit da. Motor abschalten, einfahren. Alles geht gut. Wir fliegen dem Fluss Durance entlang nach St. Auban. Und dann in die Berge. Ich freue mich über einen gut zentrierten ersten 2 m/sec Schlauch. Ernst meint ich solle weiterfliegen. Da gäbe es Besseres. Ich staune über diese Zuversicht. Kurz danach katapultiert uns ein 3.5 m/sec Booster zuverlässig und stabil in die Höhe. Das scheint hier normal zu sein. 

Ernst kennt sie alle: Die Berge, alle Dörfer, Pässe, Städte. Es gibt Menschen die sagen: Er blufft einfach mit einem gut klingenden französischen Namen. Der Crosscheck mit dem LX fällt jedoch immer zugunsten von Ernst aus. 

Es geht nicht lange und wir steigen bei Barcelonette auf 3000 Meter. Ernst hat einen sehr passenden Namen für den Arcus M: Das Rennkamel. Das Rennkamel spielt nun seine Stärken aus. Wir machen ein paar wenige Kreise und immens lange Gleitstrecken. Wir fliegen 120 km/h und die Polare lässt es nicht zu, dass wir mit mehr als 0.3m/sec sinken. Schliesslich sind wir auf der Höhe von Grenoble. Und wir sehen die französischen 4’000’er und der Mont Blanc wäre in Reichweite. 

Der grosse Moment kommt auf der Höhe von Alpe d’Huez, mit Grenoble vor uns: Eine Querung hinüber zum  Vercors von etwa 55 Kilometern. Wir verlieren nur 1’100 Meter. Am Vercors läuft es sehr gut und wir fliegen Richtung Meer. Am Mont Ventoux verliere ich kurz die Übersicht über das Terrain, das nun zunehmend flacher wird. Bald sehen wir aus der Ferne das Rhonedelta und schliesslich das Mittelmeer. 

Es lohnt sich das Anflugregime von Vinon vorgängig zu beherrschen. Nicht weniger als 4 Pisten und 8 Anflugrichtungen stehen in Vinon zur Verfügung, diese sind dann im Fall der Piste 28 auch noch in vier parallele Pisten unterteilt. Ernst zeigt mir die Volte und wir setzen dann nicht auf der Piste 28 gauche, nicht auf der Piste 28 droite, nicht auf der Piste 28 grass, sondern auf der Piste 28 Auxiliare auf. Und rollen fast vor den Anhänger. 478 Kilometer mit 87 km/h Durchschnitt sind geschafft.  

Kloten hat drei Pisten. Vinon hat eine mehr. 

Der Apéro bei Brigitte und Ernst Willi lässt nichts zu wünschen übrigt. Das Notbier hat noch nie so gut geschmeckt. Das ist der Name des erstmöglichen und irgendwie greifbaren Biers. Abends gehen wir ins 2000 Jahre alte Städtchen Greoux. Ernst hat hier ein neues Restaurant entdeckt, das wir gleich testen. Obwohl es sich Crêperie nennt, finden wir einen tollen Burger, Cesar Salad und Leffe Bier. 

Das Rennkamel braucht selten eine Oase

Blauer Himmel und knochentrockene Wüste: Das Rennkamel liegt in der Morgensonne und freut sich auf den Flugtag. 

Wieder ein wunderbarer Tag in Vinon. Mehr Feuchtigkeit und mehr Schauer im Osten. Wir entscheiden uns auf der westlichen Seite der Alpes maritimes zu bleiben und zu schauen wie nah wir an die Schauer kommen. Den Aufstieg machen wir diesmal entlang dem Flüsschen Asse direkt zum Cheval Blanc.  Verwöhnt verschmähe ich mehrere 2 m/sec Schläuche und klemme mich an den nächsten 4 m/sec Booster.  

Wieder im Gebirge reiten wir eine Strecke auf dem Parcours oder auf französisch le Parcours des combattants. Der Parcours ist eine Strecke, auf welcher das Gelände so ansteigt und abfällt, dass man keinen Kreis fliegen muss. Man reitet quasi mit dem Rennkamel über die Kreten. Kreise gibt es keine: Nur schnell weiter und höher,  selten runter.

Wir verlassen den Parcours.  Beim „Naturfreundehaus“ am Pic de Charance müssen wir etwas üben. Ich muss einen Riegel essen. Danach kleben wir uns an die Basis, die uns selten einen Kreis machen lässt. 

Ein weiterer Leistungsbeweis des Rennkamels ist die Querung von West nach Ost vom der Servelle bis östlich von Sisteron. Unterbrochen von vier Kreisen fliegen wir 80 Kilometer mit 1000 Meter Höhenverlust. Das Rennkamel braucht selten eine Oase. 

Die Schauer bleiben hinten. Aber wir immer nah dran. 

Abends geht’s mit Brigitte und Ernst ins Dörfchen Vinon. Nach einem erlebnisreichen und hoch getakteten Tag ist dies der Moment endlich wieder die französische Küche zu geniessen. Die Küche im Bistrot du Cour ist hervorragend und die korsische Chefin und der korsische Rosé machen uns den Aufenthalt zur wahren Erholung. 

Das Kamel will auch mal nicht

Der dritte Flugtag startet. Das Rennkamel gibt alles und startet auf der Piste 28 auf der Fast Lane. Vorbei am Feld der Wartenden. Der Vorsprung ist da. Die Thermik findet sich sofort über dem Plateau. Ermutigt von den vorherigen Tagen ist der Motor schnell versorgt. Aber da ist kein Aufwind mehr. Nichts. Auch die Vögel fliegen unter uns. Ich fliege noch etwas Richtung Puimoisson, aber der Boden kommt rasch näher. Nicht nur wegen des ansteigenden Plateaus. Also wieder Richtung Vinon fliegen. Ein Landefeld suchen. Propeller ausfahren, Motor starten. 

Diesmal überlasse ich nichts dem Zufall. Ich motore bis nach Puimoisson. Genau unter den ersten Cumuli. Und dann geht’s wieder los.  

Entlang der Ölspur: Einfach dranbleiben und keinen Kreis machen. 

Wir steigen in Kürze wieder auf 3000 Meter. Naturfreundehaus. Und dann die Querung von 70 Kilometern an die östlichen Berge mit 800 Meter Höhenverlust. Einfach fantastisch, diese Gleitzahl. Der Pic de Bure lockt. Er zeigt uns die kalte Schulter und lässt uns weiter absinken. Alles was wir im Gleitflug gewonnen hatten nimmt er uns weg. Wir sehen das Observatorium von unten an.  Die Abdeckung ist etwas weit fortgeschritten, also dorthin wo die Sonne ist: Und: Bipbipbipbip! Da geht’s wieder hoch. Wir fliegen wieder Richtung Grenoble mit dem hohlen Kreuz und der Vorstellung nun immer schön der Ölspur nach zu fliegen. 

Auf der Alpe d’Huez erstaunt uns die Landepiste, die hoch liegt und so steil ansteigt, dass man sich bei Narcos in Kolumbien wähnt. Wir fliegen bis zum Pic des Belledonnes und kehren dann um Richtung Vinon. 

Ernst wüsste genau welcher See das ist. 

Les chameliers Ernst und Simon auf dem Rennkamel. 

Am letzten Abend gehen wir nochmals ins Bistrot du Cour in Vinon. Es gibt Trüffel Ravioli mit einer Gorgonzola Sauce und Basilikum Blättern.  Am Tisch neben uns sitzt Weltmeister Gilles Navas. Es ist etwa so wie neben Karl Lagerfeld zu essen. 

Wie war es?

Nach fünf Tagen in Vinon ist mein Fazit: Unbedingt machen, wenn du die Möglichkeit hast in Südfrankreich zu fliegen! Die Umschulung auf den Arcus M war dank der grossen Erfahrung von Ernst Willi ein voller Erfolg. Gönn dir das Rennkamel Arcus M. Der Nachteil ist, dass dir 2 Meter Schläuche nicht mehr gefallen werden. Die Rehab in Schänis kann dich wieder an die Normalverhältnisse gewöhnen.  

Unser Rennkamel wird diesen Winter in Bitterwasser, Namibia überwintern. Es kann dort gechartert werden. Die Anreise ist etwas weiter als nach Südfrankreich. Dort soll die Thermik noch krasser sein.

Diesen Beitrag teilen

Mitfliegen

Erlebe die Faszination Fliegen am eigenen Leib. Ob mit Segelflugzeug, Motorsegler oder Motorflugzeug, am Flugplatz Schänis kannst du alle diese Flugsportarten selber ausprobieren.

Flugschule

Der Flugplatz Schänis ist DAS Schweizer Kompetenz-Zentrum für eine umfassende Segelflug-Ausbildung von der ersten Theoriestunde bis zum Spitzenresultat an nationalen und internationalen Meisterschaften.

PILOTEN

Weiterbildungsangebote und Informationen für alle Pilot_innen. Egal, ob Du sonst bei uns oder auf einem andern Platz fliegst.

Nach oben scrollen